Wenn die Feuerwehr mal langsam sein darf Feuerwehr-Pressesprecher appellieren an Menschlichkeit
Wenn die Feuerwehr kommt, muss in der Regel alles ganz schnell gehen - es geht um Minuten und manchmal auch um Menschenleben. Begleitet werden die Einsätze häufig von Feuerwehr-Pressesprechern, sie tragen an der Einsatzstelle eine grüne Weste und sind für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Sind Medien vor Ort, stehen sie ihnen zur Verfügung und erläutern den Einsatzverlauf. Wenn keine Medien zu betreuen sind, erstellen sie auch selbst Berichte über die Arbeit und Einsätze der Feuerwehr. Das ist in mehrerlei Hinsicht eine wichtige Aufgabe, denn viele glauben noch, dass besonders schwierige Einsätze von der Berufsfeuerwehr übernommen werden oder dass die Feuerwehrleute im Feuerwehrhaus auf den nächsten Einsatz warten. Beides stimmt natürlich nicht, denn im Landkreis Rotenburg gibt es ausschließlich freiwillige Feuerwehrleute, die ihre professionelle Arbeit ehrenamtlich verrichten und je nach Alarmzeit ihr Bett, ihre Arbeit oder Familie verlassen um zum Feuerwehrhaus zu eilen.
Dieses besondere Engagement allein ist Grund genug für eine eigene Öffentlichkeitsarbeit, denn viele Menschen im Landkreis leisten großartige Arbeit - jeden Tag. Nicht zuletzt ist die Öffentlichkeitsarbeit aber auch wichtig für die Nachwuchsgewinnung, denn das Angebot an nebenamtlicher Beschäftigung ist groß und viele Vereine betreiben ihrerseits eine gute Öffentlichkeitsarbeit.
Doch die Öffentlichkeitsarbeit der Feuerwehr ist in manchen Dingen anders. Vereine können sich aussuchen ob sie etwas sagen oder nicht. Die Feuerwehr ist jedoch kein Verein, sondern eine kommunale Behörde und unterliegt daher gegenüber der Presse der Informationspflicht nach dem Niedersächsischen Pressegesetz. Ein Bürger hat schließlich ein Recht darauf zu erfahren, was mit seinen Steuergeldern passiert.
Der gravierendste Unterschied ist aber, dass die Feuerwehr auch zu tragischen Einsätzen gerufen wird, bei denen es Verletzte oder auch Tote geben kann. Die Pressesprecher berichten dann sachlich und professionell über die Einsatzarbeit der Feuerwehr und deren taktisches Vorgehen. Hier ist natürlich besonderes Fingerspitzengefühl gefragt und auch die Informationen sind sehr sensibel. Für die eigene Berichterstattung auf den Homepages der Feuerwehren haben sich die Pressesprecher daher selbst eine 24-Stunden Pietätssperre auferlegt, wonach bei Einsätzen mit Verletzten oder Toten erst einen Tag nach dem Einsatz ein entsprechender Bericht auftaucht.
Hier lässt sich die Feuerwehr bewusst Zeit und das hat einen guten Grund - die Angehörigen sollen nicht über eine Homepage vom Tod eines nahen Verwandten erfahren, sondern durch professionelle Kräfte wie die Polizei oder Seelsorger auf diese schlimme Nachricht vorbereitet werden. So können die Menschen gestützt werden und erhalten die nötige Hilfe, die sie in diesem Moment brauchen. „Jeder stelle sich nur mal für sich selbst vor, wie das wäre: Ich liege gerade gemütlich. Oder ich stehe gerade zwischen den Einkaufsregalen oder sitze gerade im Auto, um die Kinder abzuholen..., und dann macht sich das Smartphone bemerkbar. Und ich sehe auf dem Display ein Auto, das ich kenne: Mein Partner, mein Kind, mein...! Wie vom Blitz werde ich getroffen. Keiner hat mich vorbereitet, keiner steht mir zu Seite. Ich stehe ganz allein da und bin mir selbst überlassen. Warum? Weil es einer nicht abwarten konnte und mal eben etwas in das soziale Netzwerk gestellt hat, ohne sich Gedanken zu machen, was er damit auslösen kann.“ so Andreas Hellmich, der leitende Notfallseelsorger im Kirchenkreis Bremervörde-Zeven und Sprengelbeauftragte der Hannoverschen Landeskirche. „Notfallseelsorger/innen können zwar nicht das Leid nehmen, aber sie können Beistand leisten im ersten Schock. Sie schenken Zeit, bringen Kenntnis und Verständnis mit und können dabei helfen, Hilfreiches anzubahnen. Möglichkeiten, die Menschen genommen werden, wenn vorzeitig und unkontrolliert Nachrichten beispielsweise über soziale Netzwerke und sensationsaffine Medien verbreitet werden. „Einmal abgesehen davon, dass mitunter maßlose Übertreibungen Betroffenheit wecken. Zum Beispiel bei dem Explosionsunglück in Ritterhude wurde über soziale Netzwerke verbreitet, dass es 30 - 40 Tote gegeben habe. Erschütternd, aber schlichtweg eine Falschmeldung. Die Verantwortung dafür übernimmt keiner.“ ergänzt Hellmich.
Problematisch sind an diesem Punkt die heutigen technischen Möglichkeiten. Schaulustige können noch vor Eintreffen der Rettungskräfte oder während der Rettungsarbeiten Bilder erstellen und sie direkt vom Ort des Geschehens in soziale Netzwerke stellen oder anderweitig verteilen. Eine neue Form des „Gaffens“ ist entstanden. Einmal ins Internet gestellt, sind diese Bilder und Informationen nicht mehr zu kontrollieren. Je schlimmer ein Ereignis ist, desto schneller verbreitet es sich im Netz und kann so mitunter auch Angehörige erreichen. „Gedankenlosigkeit, die Menschen weiteres Leid zufügt. Als ob der Unfall nicht schon schlimm genug wäre“, fügt Hellmich hinzu.
Die Feuerwehr appelliert daher, das Handy an den Einsatzstellen lediglich für den Notruf zu nutzen und keine Bilder und Informationen ins Internet zu stellen. Der Bericht wird dann von den Profis veröffentlich - so schnell wie möglich, so langsam wie nötig.